Pressemeldungen

17.04.2001

Der Dammbruch ist da: Kein Platz für alte Menschen in Europa?

Den Haag / Dortmund. "Sollten lebensfrohe alte Europäer ihre letzten Jahre demnächst besser in Fernost verbringen?" Mit dieser Frage bringt Eugen Brysch, Geschäftsführender Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung, seine Meinung zur Debatte um die Todespille für Alte auf den Punkt: "Das Wort vom Dammbruch - vor einer Woche noch Warnung angesichts der niederländischen Sterbehilfe-Legalisierung, ist heute leider schon bittere Realität." Was für Schwerstkranke und Sterbende, aber auch für alle alten Menschen getan werden kann und muss, damit Menschenwürde und Lebensqualität bis zuletzt erhalten bleiben, wird gar nicht mehr diskutiert. "Für die holländische Koalition sicher bequem, für die Betroffenen verhängnisvoll," kritisiert Brysch und verweist auf aktuelle Studien:

- Rund 90% derjenigen, die einen Suizidversuch überleben, führen nach der Therapie ein glückliches Leben.

- Auch bei alten Menschen ist der Suizid-Wunsch situationsabhängig und mit der Angst begründet, abhängig, hilflos oder eine Last für andere zu werden.

- Öffentliche Suizide oder die Diskussion darüber ziehen nachweislich weitere Suizide nach sich.

"Prominente mögen für sich die Todespille wollen - für 'normale' Alte kann sie bedeuten, nun gefälligst von selbst abzutreten," so Brysch.

Sterbehilfe, Todespille, Suizid-Shops ...?

Die niederländische Regierungskoalition ist schnell: Zwischen der Legalisierung von aktiver Sterbehilfe für Todgeweihte und dem Nachdenken über die Todespille für Lebensmüde lagen nur sieben Tage. Monika Schweihoff, Ärztin und Grundsatzreferentin der Stiftung ist betroffen und stellt zynische Fragen: "Wann werden die Bevölkerungsgruppen festgelegt, denen die Todespille mit Gebrauchsanweisung ausgehändigt wird? Wird es sich nur um lebensmüde Alte oder auch Lebenswillige handeln, deren Behandlung aber zu teuer wird? Wird es eigene Ausgabestellen geben, sind Altenheime die geeigneten Orte oder plant Frau Borst eigene Suizid-Anstalten in der Tradition der Coffie-Shops für Drogenkonsumenten?" Wenn es um kostensparende Systematik geht, ist ein Blick in deutsche Geschichtsbücher empfehlenswert.

"Der Kanzler ist gefordert"

Die niederländische Gesundheitsministerin Els Borst-Ellers hatte 1983 als Klinikdirektorin per Selbstanzeige einen Fall von aktiver Sterbehilfe publik gemacht und damit die öffentliche Diskussion angestoßen. Als Ministerin führt sie ihre von langer Hand geplante Strategie nun zu Ende. "Die Linie ist wenigstens konsequent, die offizielle deutsche Regierungs-Reaktion lässt an Klarheit zu wünschen übrig," kritisiert Brysch, dass sich bislang nur Kirchen, Parteien und Regierungssprecher, nicht aber Kanzler oder Außenminister persönlich geäußert haben. Gerade mit Blick auf die kommende europäische Verfassung warnt die Deutsche Hospiz Stiftung vor Widersprüchen zwischen den EU-Staaten bei der Beurteilung der Euthanasie. "Wenn jenseits des Atlantik Umweltvorschriften nicht eingehalten werden, wagt der Kanzler den offenen Konflikt. Wenn unser Nachbarland alten Menschen den Selbstmord nahe legt, hält man sich vornehm zurück."