Pressemeldungen

04.07.2001

Erst Bremerhaven, jetzt Berlin: Pfleger tötete fünf Schwerstkranke - Deutsche Hospiz Stiftung warnt vor Tatort Altenpflege

Berlin / Dortmund. Fünf Tötungen hat ein ehemaliger Pfleger einer Berliner Bundeswehrklinik gestanden, Tatort war wie schon zuvor in Bremerhaven die Altenpflege. Die Deutsche Hospiz Stiftung weist auf die Gefährdung Schwerstkranker und Sterbender überall in der Altenpflege hin. Monika Schweihoff, Ärztin der bundesweiten Patientenschutz-Organisation aus Dortmund: "Morde durch Pflegepersonal kommen immer wieder vor." Doch sie warnt davor, Pflegekräfte pauschal zu verurteilen. "Die Lobby der Ärzte versteht es, deren Stress in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die Pflegekräfte hingegen haben keine so schlagkräftige Lobby." Dabei tragen sie die Hauptlast, sind durch ihre Arbeit oft stark belastet, sowohl psychisch als auch körperlich. Schweihoff verweist auf eine psychiatrische Studie, die ein Täterprofil erstellt hat: Die meisten Täter sind männlich, die Tötung wird oft mit in der Pflege üblichen Medikamenten vollzogen. Schweihoff: "Nirgendwo ist es so unauffällig zu töten wie bei Schwerstpflegebedürftigen - Tatort Altenpflege."

"Greenpeace für Sterbende" fordert Menschenwürde überall

In der Sprache der Täter spitzt sich der ironisch-schnoddrige Ton zu, der in der Pflege dann üblich ist, wenn Belastendes nicht verarbeitet werden kann. Aus "Sterben" wird "Abkratzen", für "Verstorbene" gilt das Kürzel "Ex". Laut Schweihoff wird daran deutlich: "Das Personal ist häufig überfordert. Schuld ist aber auch die Einschätzung vieler gesunder Menschen, wann ein Leben unwert sei." Die Betroffenen sehen dies meist ganz anders. Doch in der öffentlichen Diskussion werden Einzelschicksale aus dem Blickwinkel der Gesunden beurteilt. "Der einzige Daseinszweck für pflegebedürftige Menschen ist in dieser Denkweise ein früher Tod, nicht ein menschenwürdiges Leben."

Die Deutsche Hospiz Stiftung, auch als "Greenpeace für Sterbende" bezeichnet, fordert daher einen radikalen Systemwechsel im Gesundheitswesen. Schwerstkranke müssen überall menschenwürdige Rahmenbedingungen vorfinden. "Mangelnde Pflege, Vernachlässigung der Aufsicht und Kostendruck ist auch eine Form der aktiven Sterbehilfe", sagt Schweihoff. "Nötig sind statt dessen menschliche Zuwendung, psychosoziale Begleitung und Palliativmedizin, die moderne, umfassende Schmerzmedizin."