Pressemeldungen

26.05.1999

Landgericht stärkt Stiftung:

"Deutsche Richter sind keine Sterbehelfer. Gerichte sollen Recht sprechen und nicht über Leben und Tod entscheiden," kommentiert Eugen Brysch, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Hospiz Stiftung, die jetzt bekanntgewordene Urteilsbegründung des Landgerichts München I, mit der die Beschwerde des Betreuers eines sterbenskranken Patienten zurückgewiesen wurde. Der Betreuer hatte eine Genehmigung beantragt, beim äußerungsunfähigen Kranken die Ernährung einzustellen und die Flüssigkeitszufuhr auf ein Mindestmaß zu beschränken. Ziel der Maßnahme: der vorgezogene Tod des leidenden Kranken. Das zuständige Amtsgericht hatte dies aus formalen Gründen zurückgewiesen, weil Entscheidungen über Leben und Tod nicht in den Aufgabenkreis eines Betreuers und damit der Vormundschaftsgerichte fallen – eine Position, die nun vom Landgericht ausdrücklich bestätigt wurde (AZ 13 T478/99). Tatsächlich verantwortlich sind die Ärzte, die ihrer ethischen Verpflichtung nachkommen müssen.
Im Juli 98 hatte das OLG Frankfurt anders entschieden und damit für Aufsehen und klaren Widerspruch gesorgt. Damals war § 1904 Betreuungsgesetz herangezogen worden, nach dem bei der Einwilligung in riskante ärztliche Maßnahmen der Betreuer eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung einholen müsse. Dazu zählte das OLG Frankfurt auch die Einstellung künstlicher Ernährung mit gewollter Todesfolge. Dies wird nun aus München widerlegt. Die Deutsche Hospiz Stiftung sieht sich in ihrer damaligen Kritik bestätigt. Eugen Brysch: "Das Urteil ist eine schallende Ohrfeige für die Frankfurter Richter und eine argumentative Katastrophe für die Bundesärztekammer." Diese hatte mit dem OLG-Spruch ihre umstrittene Sterberichtlinie begründet.

"Gesetze und Richtlinien müssen neu geschrieben werden"

Abgesehen von den Qualen, die ein gewolltes Verhungern- oder gar Verdurstenlassen auslösen kann, dürfen individuelle ethische Entscheidungen von solcher Tragweite nicht im formalisierten Verfahren eines dafür gar nicht gedachten Gesetzes gelöst werden, erklärt die Deutsche Hospiz Stiftung und fordert:

- Der Gesetzgeber muss mit einer Gesetzesnovelle Klarheit schaffen und den Einzug der Sterbehilfe durch die Hintertür des Betreuungsrechts verhindern. Nach Informationen der Stiftung wird daran im Bundesjustizministerium bereits gearbeitet.

- Die Bundesärztekammer sollte einige Passagen ihrer Grundsätze zur Sterbebegleitung überdenken, die nun juristisch endgültig auf unsicherem Boden stehen.

Patientenanwalt für Selbstbestimmung und Schutz vor Willkür

"Der Kranke muss selbst über seine Behandlung entscheiden. Wo er dies nicht mehr kann, ist der Arzt gefordert, so schwer dies im Einzelfall sein kann," betont Brysch. Bei seiner Entscheidung kann er Argumente von außen hinzuziehen. "Das Konstrukt des mutmaßlichen Willens birgt dabei jedoch die Gefahr der Willkür. Und Patientenverfügungen sind oftmals auch nur formale Dokumente, die dem Einzelfall nicht gerecht werden," wird gewarnt. Die Deutsche Hospiz Stiftung empfiehlt daher, frühzeitig in gesunden Tagen eine Vertrauensperson als "Medizinischen Patientenanwalt" zu bestimmen. Diesen Weg haben bereits viele tausend Menschen gewählt und damit einen Interessenvertreter gegenüber dem Arzt benannt, der aktiv wird, wenn man sich selber nicht mehr äußern kann und der über die Vorstellungen des Kranken informiert ist. "In all diesen Fragen gibt es keinen Königsweg," weist Brysch auf die juristische, ethische und menschliche Problematik hin. "Der Patientenanwalt vermag aber am ehesten die Selbstbestimmung des Patienten zu sichern und ihn gleichzeitig vor Willkürakten zu schützen.