Pressemeldungen

18.11.2003

Mehr als 600 Briefe an den Europarat: Deutsche Hospiz Stiftung warnt vor europaweiter Legalisierung der aktiven Sterbehilfe. 24 000 Menschen könnten jedes Jahr unfreiwillig getötet werden.

Paris/ Dortmund. „Das Recht auf Töten hat nichts mit der Würde des Menschen zu tun“, warnt Eugen Brysch, Geschäftsführender Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung. Nach einer Initiative des Schweizers Dick Marty soll der Sozialausschuss des Europarats den Mitgliedsstaaten die europaweite Legalisierung der aktiven Sterbehilfe empfehlen. Über dieses Vorhaben wird der Ausschuss diese Woche in Paris entscheiden. „Eine europaweite Legalisierung der aktiven Sterbehilfe öffnet dem Missbrauch Tür und Tor“, so Brysch.

Neue Studie belegt: In den Niederlanden wird Patientenwille massiv verletzt

Eine neue Studie belegt, dass in den Niederlanden jedes Jahr 900 Menschen getötet werden, obwohl sie dies nicht verlangt haben. Seit 2002 ist die aktive Sterbehilfe dort legal. Eine anonymisierte Befragung unter den Ärzten ergibt, dass in 38 Prozent der Fälle die Angehörigen die Euthanasie des Betroffenen vorantreiben. Grund: Die Nächsten können das Leid des Patienten nicht ertragen. In 30 Prozent der Fälle wird dem Schwerstkranken der Wunsch nach Euthanasie unterstellt. „Es ist Humbug, von der Selbstbestimmung der Patienten zu reden. Die Menschen lassen sich töten, weil andere es wollen. Die Tötung erfolgt fremdbestimmt“, sagt Brysch.

Wenn das Euthanasie-Modell der Niederlande auf sämtliche europäische Staaten übertragen wird, dann werden jedes Jahr mindestens 100 000 Menschen durch aktive Sterbehilfe euthanasiert. Legt man die Missbrauchszahlen der Niederlande zugrunde, würden jedes Jahr 24 000 Menschen getötet, ohne dass eine Einwilligung vorliegt. Dies betrifft auch Patienten, die in der Lage sind, ihren Willen zu äußern.

In einer außergewöhnlichen Briefaktion hat sich die Deutsche Hospiz Stiftung an alle politischen Entscheidungsträger gewandt: Sie schrieb Briefe an Bundeskanzler Schröder sowie an die 45 Außenminister des Ministerrats. Mehr als 600 Briefe an die Delegierten der Parlamentarischen Versammlung und ihre Vertreter folgten. Sie wurden in ihrer jeweiligen Landessprache angeschrieben: Von Englisch bis Spanisch, von Türkisch bis Russisch. Außerdem wurden von Dortmund aus die internationalen Dachverbände für Palliativmedizin und für Hospizarbeit mobilisiert.

Palliative-Care als „Hilfe für Sterbende“ statt „Hilfe zum Töten“

Das Vorhaben des Europarates stellt eine Kehrtwende in der bisherigen Politik dar: 1999 hatte der Europarat das Töten auf Verlangen abgelehnt. Die Deutsche Hospiz Stiftung fordert den Europarat auf, mutig zu seinem eigenen Beschluss von 1999 zu stehen. Darin verpflichten sich die europäischen Mitgliedsstaaten, schwerstkranken und sterbenden Patienten Palliative-Care-Versorgung anzubieten. Die umfassende Betreuung und Pflege dieser Menschen ist nach wie vor schlecht: In Deutschland erhalten nur 2,1 Prozent der jährlich 850 000 Sterbenden Palliative-Care. Nach Ansicht der Deutschen Hospiz Stiftung sollten mindestens 40 Prozent versorgt werden können. „Wenn der Europarat nun die Legalisierung der aktive Sterbehilfe befürwortet, dann werden sich alte, schwerstkranke und behinderte Menschen zukünftig für ihr Dasein rechtfertigen müssen. Es wird für sie immer schwieriger, die Hilfe einzufordern, die sie brauchen“, sagt Brysch.

Hintergrund

Die gemeinnützige und unabhängige Deutsche Hospiz Stiftung ist die Patientenschutzorganisation der Schwerstkranken und Sterbenden. Sie finanziert sich ausschließlich aus Spenden und Beiträgen von Mitgliedern und Förderern. Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen DZI hat der Stiftung sein Spendensiegel verliehen, das Markenzeichen seriöser spendensammelnder Organisationen. Schirmherrin der Stiftung ist die Schauspielerin Uschi Glas.