Pressemeldungen

17.06.2010

Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung: Ein Jahr Patientenverfügungsgesetz offenbart deutliche Mängel / Viele Verfügungen erfüllen hohe gesetzliche Anforderungen nicht

Berlin. „Patientenschutz ist nicht zum Nulltarif zu haben. Jetzt rächt sich, dass die Politik auf eine Regelung gesetzt hat, die den Staat nichts kosten sollte. Den Preis dafür zahlen die Bürger“, bilanziert der Geschäftsführende Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, ein Jahr nach der Einführung des Patientenverfügungsgesetzes. „Das Grundproblem ist, dass hohe Anforderungen an Vorsorgedokumente gestellt werden, ohne den Menschen dabei zu helfen, diese Ansprüche zu erfüllen“, fasst Brysch das Dilemma zusammen. „Das gilt nicht nur für die seit dem Inkrafttreten verfassten Verfügungen, sondern auch für alle vorher unterschriebenen Dokumente.“ Am 18. Juni 2009 hatte der Deutsche Bundestag das Patientenverfügungsgesetz nach fünfjähriger Debatte verabschiedet.

Es ist zu begrüßen, dass Vorausverfügungen laut Gesetz konkret und detailliert sein müssen. Damit wird klar gestellt, dass auf die Schnelle ausgefüllte Musterformulare nicht ausreichen, in denen etwa künstliche Ernährung generell ausgeschlossen werden soll. „Da aber gleichzeitig keine individuelle Beratung beim Verfassen von Patientenverfügungen vorgeschrieben ist, erleben wir in der Praxis schwere Konflikte“, erklärt Brysch. Verfügungen, die ohne Beratung entstanden sind, genügen in den seltensten Fällen den gesetzlichen Ansprüchen und können deshalb nicht umgesetzt werden. „Hier ist der Staat in der Verantwortung, die Menschen nicht länger allein zu lassen.“

Dringenden Verbesserungsbedarf sieht Brysch auch hinsichtlich der Ermittlung des mutmaßlichen Willens. Auf ihn kommt es an, wenn – wie in den meisten Fällen – keine oder keine hinreichend genaue Patientenverfügung vorliegt. „Das Gesetz lässt zu viele Interpretationsspielräume zu und gibt in der Praxis zu wenig Hilfe. Damit der Patientenwille nicht zum Spielball fremder Interessen wird, sind eindeutige Regelungen nötig“, fordert Brysch. „Denn es muss klar sein: Lebenserhaltende Maßnahmen dürfen nicht beendet werden, nur weil man selbst das Zuschauen nicht ertragen kann. Mitleid darf nicht tödlich sein.“

Die Schiedsstelle Patientenverfügung

Mit Einführung des Patientenverfügungsgesetzes im vergangenen Jahr hat auch die von der Deutschen Hospiz Stiftung betriebene Schiedsstelle Patientenverfügung ihre Arbeit aufgenommen. An sie können sich sowohl Ärzte als auch Angehörige wenden, wenn es bei der Auslegung einer Patientenverfügung zu Meinungsverschiedenheiten kommt. Die Schiedsstelle ist bundesweit unter der Telefonnummer 02 31 / 7 38 07 – 30 zu erreichen oder im Internet unter www.die-schiedsstelle.de. Für die Leistungen der Schiedsstelle erhebt die Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung keinerlei Gebühren.

Hintergrund

Die gemeinnützige und unabhängige Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung ist die Sprecherin der Schwerstkranken und Sterbenden. Sie finanziert sich ausschließlich aus Spenden und Beiträgen von über 55.000 Mitgliedern und Förderern.