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28.01.2014

Pflegeanbieter dürfen Ausbildungsumlage nicht einfach auf die 300.000 Pflegebedürftigen in NRW abwälzen

Dortmund. Pflegeeinrichtungen dürfen die gesetzliche Ausbildungsumlage nicht ohne Weiteres auf die Heimbewohner abwälzen. Vielmehr müssen die 5.000 Heime und ambulanten Anbieter der Pflege in NRW diese Mehrkosten von monatlich bis zu 70 Euro ordnungsgemäß begründen und fristgerecht ankündigen. Das Verfahren müsse ähnlich einer Mieterhöhung ablaufen, entschied das Landgericht Arnsberg jetzt in einem Berufungsverfahren.

Mit dem Urteil teilen die Richter den Standpunkt der Deutschen Stiftung Patientenschutz, wonach es sich bei der NRW-Ausbildungsplatzabgabe um einen Entgelt-Bestandteil handelt; dieser muss mindestens vier Wochen, bevor er den Pflegebedürftigen in Rechnung gestellt wird, hinreichend begründet sein. In dem Rechtsstreit vertrat eine Pflegeeinrichtung im Sauerland die Ansicht, bei der Abgabe handele es sich um eine öffentlich-rechtliche Gebühr. Diese könne das Heim von den Bewohnern ohne weitere Begründung einziehen und an die Behörde weiterleiten. Schon das Amtsgericht Soest hat den Standpunkt bereits im August 2013 verneint. Die Erstinstanz verlangte von der Heimleitung, die Abgabe nachvollziehbar zu berechnen und fristgerecht offenzulegen. Das Landgericht Arnsberg bestätigte dieses Urteil jetzt und sorgte somit endgültig für Klarheit.

"Der Fall ist kein Einzelfall", weiß Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, die einem Bewohner des Pflegeheims im Sauerland Rechtsbeistand gewährte. "Nachdem die Abgabe im Juli 2012 eingeführt wurde, fragten am Patientenschutztelefon rund 80 Anrufer im Monat bei uns nach, ob die Umlage rechtens ist. Die meisten Betroffenen sind in der gleichen Lage: Betagt, pflegebedürftig und mit dem Schriftverkehr überfordert. Außerdem erfahren wir immer wieder, dass die zusätzlichen Kosten durch die Ausbildungsplatzabgabe die Pflegeheimbewohner voll treffen, da das Teilkaskomodell der Pflegeversicherung die Pflegesätze nur teilweise abdeckt. Am Ende sind es die Kommunen, die die Umlage über die Sozialhilfe zu zahlen haben."

In dem Berufungsverfahren ging es um einen Betrag von 1.260 Euro, der für 18 Monate aufgelaufen war. Multipliziert mit 50 Bewohnern steigt die Summe für das Heim auf 63.000 Euro. Voraussetzung ist jedoch, dass die Bewohner ihr Recht kennen und dieses einfordern. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz geht davon aus, dass von den 5.000 Pflege-Anbietern in NRW die meisten nach dem gleichen Schema vorgegangen sind. Damit wären knapp 300.000 Menschen betroffen.

Die Patientenschützer begrüßen die Absicht der Politik, die Ausbildung in der Pflege zu fördern. Die Umlage muss jedoch diejenigen Anbieter finanziell belasten, die sich der Ausbildung verweigern. Der Steuerungseffekt entfällt aber, wenn jedes Heim die Abgabe auf seine Bewohner umlegen kann. Umgekehrt dürfen Heime, die ausbilden, nicht doppelt verdienen, indem sie die Abgabe und Mittel aus dem Umlagetopf des Landes kassieren. In diesem Fall müssten sie die Pflegesätze reduzieren - was zu kontrollieren wäre. (Urteil mit Begründung: AG Soest, Az: 12 C 273/12)


Hintergrund

Die gemeinnützige Deutsche Stiftung Patientenschutz ist die Sprecherin der schwerstkranken, schwerstpflegebedürftigen und sterbenden Menschen. Zur Wahrung der Unabhängigkeit verzichtet sie auf Gelder der Leistungserbringer, Krankenkassen und der öffentlichen Hand. Sie finanziert sich ausschließlich aus Spenden und Beiträgen ihrer 55.000 Mitglieder und Förderer. Mit dem Patientenschutztelefon bietet sie Hilfesuchenden und Betroffenen praktische Unterstützung bei Fragen rund um das Pflegerecht, Pflegeeinstufungen und Pflegemissstände. Ebenso hilft sie bei der Durchsetzung des Anspruchs auf Palliative Care und Sterbebegleitung, bietet Beratungen und Umsetzung von Patientenverfügungen sowie Hilfe beim Krankenkassenwechsel an. Sie hieß früher Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung.