Pressemeldungen

15.02.2001

Texte können töten: Pläne des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen - Deutsche Hospiz Stiftung wehrt sich gegen Verhungernlassen von Schwerstkranken und Sterbenden

Im Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen wird am 16. Februar eine Beschlussvorlage diskutiert, die regeln soll, unter welchen Voraussetzungen bei Kranken Trink- und Sondennahrung verordnet werden darf. Gegen diese Inhalte wehrt sich die Deutsche Hospiz Stiftung. "Bei der künstlichen Ernährung geht es für viele Patienten existentiell um Leben und Tod," empört sich Eugen Brysch, Geschäftsführender Vorstand der Stiftung. "Mit diesem Papier können sich Möglichkeiten eröffnen, Kranke verhungern zu lassen," so Brysch weiter. Der Bundesausschuss hat die Pläne in einem "Anhang" versteckt und keinen Wert auf Beteiligung der Interessensvertreter von Patienten gelegt. Er versucht, durch Zeitdruck eine Entscheidung durchzusetzen.

Kranke brauchen Schutz vor Kostendruck

Die geplante Neuregelung hat zur Folge, dass Kranken Leistungen vorenthalten werden, auf die sie als Krankenversicherte Anspruch haben. Beispielsweise könnten Angehörige im Extremfall dem Kranken Sondennahrung verweigern. Dies gilt in besonderer Weise für Schwerstkranke und Sterbende, aber beispielsweise auch für über eine 1 Million Demenz- und Alzheimer-Patienten. Ebenso sollen Aids-Kranke erst dann Sondennahrung bekommen, wenn ein "angemessenes, körperliches Training zur Erhöhung von Gewicht bzw. Muskelmasse nicht möglich oder ohne Erfolg ist."

Die Deutsche Hospiz Stiftung kritisiert insbesondere, dass der Bundesausschuss überhaupt nicht befugt ist, Leistungsausschlüsse zu verfügen und er damit seine Kompetenzen eindeutig überschreitet. Die Neuregelung verstößt außerdem in eklatanter Weise gegen die Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung. Darin wurde im September 1998 nach heftiger öffentlicher Diskussion festgelegt, dass bei Schwerstkranken und Sterbenden die künstliche Ernährung zur Basisversorgung gehört. Der Bundesausschuss macht nun also den Versuch, das Kosten-Problem im Gesundheitswesen zu Lasten der Schwerstkranken und Sterbenden zu lösen.

Stiftung warnt vor Geldbeutel-Euthanasie

Die Deutsche Hospiz Stiftung als Patientenschutz-Organisation für Schwerstkranke und Sterbende fordert, dass deren Rechte formuliert und gesichert werden. Dazu gehört der Schutz des Einzelnen vor Fremdbestimmung, Willkür und Kostendruck. Gerade dann, wenn Angehörige oder Ärzte bei Schwerstkranken über den Einsatz oder den Abbruch der Sondennahrung entscheiden dürfen, besteht die Gefahr, dass Eigeninteressen die Entscheidung beeinflussen. "Es kann nicht angehen, dass Erben über den Zeitpunkt des Ablebens ihrer Verwandten entscheiden dürfen. Genauso wenig darf Kostenrechung im Gesundheitswesen auf dem Rücken des Einzelnen ausgetragen werden," kommentiert Eugen Brysch die Lage. "Die einzige Möglichkeit, um seine Selbstbestimmung auch bis zuletzt zu wahren, ist eine valide Patientenverfügung. Das vorgelegte Papier ermöglicht eine erheblich fatalere Entwicklung als etwa die kürzlich erfolgte Euthanasie-Legalisierung in den Niederlanden. Während dem Dammbruch dort zumindest eine kontroverse Diskussion vorausging, wird das "sozialverträgliche Frühableben" in Deutschland per Arzneimittel-Richtlinie eingeführt."