Pressemeldungen

25.06.1999

UNKLARHEITEN BEIM BETREUUNGSRECHT - HUNDERTAUSENDE IN SORGE - Stiftung prüft Verfassungsklage

Das neue Betreuungsrecht und widersprüchliche Gerichtsurteile sorgen bei den vielen hunderttausend Betroffenen in Deutschland für Angst und Sorgen. "Die Deutsche Hospiz Stiftung prüft nun die Möglichkeiten einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht." Dies teilte Eugen Brysch, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Hospiz Stiftung, am Freitag in Münster mit. Anlass war die Scheckübergabe einer Förderung für das Hospiz "Lebenshaus" durch die Stiftung.

Verwirrende Rechtslage bei existenziellen Fragen

Das OLG Frankfurt hatte im vergangenen Sommer die Rechte eines Betreuers und die kontrollierende Funktion des Vormundschaftsrichters auch auf medizinische Behandlungsfragen mit Folgen für Leben und Tod ausgeweitet. Zwar hat mittlerweile das Landgericht München in einem gegensätzlichen Urteil vom Februar 99 ebenso wie das Bundesjustizministerium dieser Interpretation eine Abfuhr erteilt - und damit übrigens Teilen der Bundesärztekammer-Grundsätze zur Sterbebegleitung den argumentativen Boden entzogen. Die Deutsche Hospiz Stiftung begrüßt, dass auch die Justizminister der Länder auf ihrer letzten Sitzung in Baden-Baden Handlungsbedarf erkannt haben. "Richter haben nicht über Leben und Tod zu entscheiden. Aber die Verunsicherung bei den Menschen ist eher noch gewachsen," kritisiert Elke Simon, Diplom-Theologin und Grundsatzreferentin der Stiftung, und verweist auf viele Tausend Anrufer am Infotelefon der Dortmunder Geschäftsstelle (0231/73 80 73 0).

Deutsche Hospiz Stiftung handelt und hilft

"Diese Ängste der Menschen veranlassen uns zum Handeln," betont Brysch und nennt konkrete Maßnahmen:

- Seit Januar liegt mit dem neuen Betreuungsrecht auch die Medizinische Patientenanwaltschaft in überarbeiteter Form vor. Eine solche Vorsorgevollmacht ist im Gesetz vorgesehen und sichert die Selbstbestimmung bis zuletzt.

- In einer derzeit laufenden Emnid-Studie wird die Einstellung der Bevölkerung zu Fragen der Selbstbestimmung durch Vorsorgevollmachten ermittelt.

- Die Stiftung steht im Dialog mit der Politik: In einem Brief an die Mitglieder des Rechtsausschusses wird ebenso auf die unklare Rechtslage hingewiesen wie in nun anstehenden Gesprächen im Bundesjustizministerium.

- Die Stiftung hat bei einem bundesweit renommierten Verfassungsrechtler ein Gutachten zu Fragen des Betreuungsrechts, deren Auslegung und verfassungsrechtlicher Bedeutung in Auftrag gegeben.

"Letzte Konsequenz kann die Verfassungsklage sein," betont Brysch. "In Fragen von Leben und Tod, von Würde und Selbstbestimmung können wir weder formale Eiertänze noch interessengeleitete Lobby-Politik dulden."

Selbstbestimmung und Patientenschutz vor Willkür und Kostendruck

Diese Grundsätze dürfen kein Gegensatz sein, vielmehr sind es zwei Seiten einer Medaille, die nach Ansicht der Stiftung Ziel einer Gesetzesnovelle sein müssen. Folgende Punkte nennt die Stiftung:

- § 1904 BGB (Einwilligung des Betreuers bzw. Bevollmächtigten in Medizinische Maßnahmen) ist kein Sterbehilfe-Paragraf. Richter haben kein Recht, über Leben und Tod zu entscheiden.
- Es fehlt die Klarstellung, dass §1904 BGB den Lebensschutz zu respektieren hat. Kein Bevollmächtigter oder Betreuer hat das Recht, den behandelnden Arzt auf einen zum Tod führenden Behandlungsabbruch festzulegen. Es geht ausschließlich um die Zustimmung oder Ablehnung zu risikoreichen, ärztlichen Maßnahmen, die das Leben des Patienten retten bzw. erhalten sollen.

- Rücknahme der verfahrensrechtlichen Änderung des § 69d Abs. 2 Satz 2 FGG (Gutachten eines neutralen Sachverständigen zum Schutz nicht-einwilligungsfähiger Patienten).

- Wissenschaftliche Begleitforschung zur Gewährleistung des Patientenschutzes in der Praxis.

- Ausbau der Hospizarbeit und Palliativmedizin als tragfähige Alternative zum Behandlungsabbruch beziehungsweise menschenunwürdigen Sterben.

"Lebenshaus" soll leben – Soforthilfe für Projekt in Münster

In Münster wurden außerdem 29.000 DM für das 'Lebenshaus' von der Deutschen Hospiz Stiftung an Vertreter des Münsteraner Projekts übergeben. Die Soforthilfe erhielt Franz-Josef Dröge, Geschäftsführer des Lebenshauses, der bei dieser Gelegenheit vom Fortgang der Bauarbeiten für das stationäre Hospiz berichtete, das zum 1.10. "ans Netz gehen" soll. "Es ist toll, was hier geleistet wird," betont Brysch. "Das Projekt besticht durch seine Vernetzung mit bestehenden Einrichtungen und der Träger untereinander," hebt Elke Simon eine Besonderheit des "Lebenshauses" hervor. Mit dem Geld der Stiftung wird die Stelle des Projektleiters finanziert.