Pressemeldungen

29.01.2015

Kassen, Heime und Ärzte machen Patienten das Leben schwer – Deutsche Stiftung Patientenschutz leistete im Vorjahr über 28.000 Beratungen

Berlin Die Krankenkasse will einer Krebspatientin ein Medikament nicht bezahlen, ein anderer Krebs- und Stomapatient soll für seine Wundheilungscreme selbst aufkommen, einem Demenzkranken verweigert seine Kasse die Fahrtkostenübernahme von 10 Euro zum Pflegeheim. Drei Fälle von vielen, die die Deutsche Stiftung Patientenschutz im vergangenen Jahr forderten. Die Nachfrage von Kranken, Pflegebedürftigen und Angehörigen nach Patientenschutz-Beratungen sei ungebrochen. Wie die Stiftung mitteilt, habe sie im vergangenen Jahr 28.200 Mal Hilfe an ihren Standorten Berlin, Dortmund und München geleistet. Damit bewege sich die Zahl auf dem hohen Vorjahresniveau.

Die Zahl aller Patientenschutzberatungen stieg 2014 um 200 Fälle auf 2.500 Gespräche. Betroffene suchten Hilfe bei der Auseinandersetzung mit Ärzten, Krankenhäusern und Pflegeheimen. Aber auch die restriktive Haltung der Kranken- und Pflegekassen bei Reha-Maßnahmen für ältere Patienten nahm zu. Zu den Dauerbrennern gehörten abermals lange Wartezeiten auf Facharzttermine, Fragen zu den Pflegestufen, Missstände in der ambulanten und stationären Pflege. Ebenfalls häufig wurden Verständigungsprobleme mit ausländischen Pflegekräften und Ärzten bemängelt. „Insgesamt werden die Defizite, die wir seit Jahren beobachten, immer größer“, bilanziert Vorstand Eugen Brysch.

Beratungen zu Patientenverfügungen
Neben der Bewältigung von Krisenfällen gehören die Beratungen zu Patientenverfügungen zu den Schwerpunkten der Stiftungsarbeit.
Viele Menschen möchten verbindlich regeln, wie sie im Falle einer schweren Krankheit behandelt werden wollen – und wie nicht. „Der Informationsbedarf ist ungebrochen hoch“, weiß Brysch. 8.100 Beratungen führten die Teams der Stiftung 2014 durch – rund 2.000 weniger als im Vorjahr. „Mit dieser Menge sind wir im oberen Bereich unserer Kapazitäten angekommen“, so Brysch, „die Qualität der Beratung geht bei uns vor Quantität.“ Immerhin drehte sich auch 2014 nahezu jede dritte Anfrage am Patientenschutztelefon um das Thema Patientenverfügung.

Das Patientenschutztelefon ist für Ratsuchende kostenfrei. Die Stiftung verzichtet im Interesse der Unabhängigkeit auf öffentliche Zuschüsse.

Hilfe am Patientenschutztelefon gibt es in Berlin (030-2 84 44 84- 0), in Dortmund (0231-73 80 73-0) und in München (089-20 20 81-0).
 

Blick in den Beratungsalltag
Der Kampf um eine Pflegestufe, Konsequenzen aus schlechter Pflege im Heim oder der unwürdige Streit um die Umsetzung einer Patientenverfügung – hier drei Beispiele aus dem Beratungsalltag:  

1. Beispiel: Frau K. kämpft um eine Pflegestufe. Sie leidet an einer Wirbelsäulenveränderung, hat chronische Schmerzen und Depressionen. Sie unternimmt Suizidversuche. Als gesetzliche Versicherte beantragt sie nach Jahren erstmals Leistungen bei der Pflegekasse. Diese lehnt ab: 32 Minuten Hilfe pro Tag seien ausreichend. Frau K. legt Widerspruch ein und schaltet die Patientenschützer ein. Diese begründen den Widerspruch gleich doppelt; daraufhin bewilligt die Kasse Pflegestufe I. Mit diesem Teilerfolg geben sich die Patientenschützer nicht zufrieden, sie reichen Klage beim Sozialgericht ein. Der Fall läuft.

2. Beispiel: Frau W. leidet unter leichter Demenz. Sie lebt noch zu Hause, wird von ihrer Tochter gepflegt. Dann muss ihre Tochter ins Krankenhaus, Frau W. kommt in die Kurzzeitpflege. Besuchern fällt eine drastische  Verschlechterung des Gesundheitszustands auf, sie verliert an Gewicht. Die Familie holt sie vorzeitig zurück und wendet sich an die Deutsche Stiftung Patientenschutz. Die Patientenschützer fordern die Pflegedokumentation an, werten diese aus und stellen fest, dass die Patientin teilweise stark dehydriert war. Zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert, verweist das Pflegeheim auf die Verordnungen des Hausarztes. Dieser nimmt ebenfalls schriftlich Stellung und weist Fehler zurück. Die Patientenschützer wenden sich daraufhin an die Krankenkasse von Frau W., die wiederum den MDK zu einer schriftlichen Stellungnahme auffordert. Dies steht noch aus. Je nach Inhalt behalten sich die Patientenschützer weitere Schritte vor.

3. Beispiel: Frau B. liegt aufgrund einer Gehirnblutung seit zwölf Monaten in einem wachkomaähnlichen Zustand. Sie ist entscheidungsunfähig, wird per PEG-Sonde ernährt. Ihr  Ehemann ist gerichtlich zu ihrem Betreuer bestellt. Aus der Patientenverfügung von Frau B. geht hervor, dass sie in solch einem Zustand keine künstliche Ernährung wünscht. Angehörige und Hausarzt fordern, dass die Ernährung eingestellt wird. Das Pflegeheim leistet Widerstand, der Fall landet vor Gericht. Die Amtsrichterin lehnt ab, bewertet zwei Gutachten als widersprüchlich. Zwei Experten der Deutschen Stiftung Patientenschutz führen Gespräche mit dem Pflegeheim und den Angehörigen. Die Familie kontaktiert einen Anwalt für Medizinrecht. Der legt gegen den Beschluss des Amtsgerichtes beim Landgericht Beschwerde ein. Frau B. wird in ein Hospiz verlegt. Hier wird der Wille der Patientin umgesetzt, die Magensonde entfernt. Die Patientin verstirbt drei
Tage später.


Hintergrund
Die gemeinnützige Deutsche Stiftung Patientenschutz ist die Sprecherin der schwerstkranken, schwerstpflegebedürftigen und sterbenden Menschen. Zur Wahrung der Unabhängigkeit verzichtet sie auf Gelder der Leistungserbringer, Krankenkassen und der öffentlichen Hand. Sie finanziert sich ausschließlich aus Spenden und Beiträgen ihrer 55.000 Mitglieder und Förderer. Mit dem Patientenschutztelefon bietet sie Hilfesuchenden und Betroffenen praktische Unterstützung bei Fragen rund um das Pflegerecht, Pflegeeinstufungen und Pflegemissstände. Ebenso hilft sie bei der Durchsetzung des Anspruchs auf Palliative Care und Sterbebegleitung, bietet Beratungen und Umsetzung von Patientenverfügungen sowie Hilfe beim Krankenkassenwechsel an. Sie hieß früher Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung.